Laufen ist etwas Wundervolles: Es gilt für viele Menschen als die perfekte Mischung aus körperlicher Betätigung, mentaler Entspannung und persönlicher Herausforderung. Running Communities, oder zu deutsch Lauf-Communities, die einst als Ort der Unterstützung, Motivation und Gemeinschaft galten, haben sich im Laufe der Jahre stark verändert. Doch warum hat sich diese Entwicklung ergeben, und kann man heute noch eine Lauf-Community finden, die wirklich zu einem passt?
Laufgruppen früher vs heute
Ich verfolge viele Lauf-Communities auf Social Media und bin mittlerweile unsicher, wie ich darüber denken soll. Ich bin ehrlich: Am liebsten wäre ich ein Teil davon.
Doch dann sehe ich die “Voraussetzungen” und muss schlucken. 5:30er Pace. 8 Kilometer. Ja gut. Da bin ich raus. Warum? Das sind nicht meine Laufzeiten, denke ich. Während ich das aus meiner Perspektive und relativ nüchtern betrachte, denken jedoch andere Läufer:innen: Dafür bin ich nicht schnell genug. Nicht gut genug.
Diese Gedanken sollte jedoch keiner haben.
Immer häufiger berichten Läufer:innen von erhöhtem Leistungsdruck und einem Gefühl, ständig mithalten zu müssen. Das höre ich selbst von Bekannten und deren Freund:innen.
Höher, schneller, weiter – was gestern noch ein Halbmarathon war, ist heute schon nicht mehr genug. Die 10 Kilometer in 45 Minuten, die eine Freundin läuft, erscheinen plötzlich wertvoller als die eigenen 10 Kilometer. Und Ultraläufer:innen wirken ohnehin überlegen im Vergleich zur Anfängerin, die gerade stolz ihre ersten 5 Kilometer geschafft hat.
Wer jetzt beim Lesen den Kopf schüttelt, fühlt sich wahrscheinlich genauso wie ich: ein wenig wütend, enttäuscht, traurig und voller Unverständnis.
Die wachsende Popularität des Laufsports
In den letzten Jahrzehnten hat Laufen eine enorme Popularität erlangt. Marathons, Halbmarathons und sogar Ultraläufe haben in der Öffentlichkeit stark an Bedeutung gewonnen – und ehrlich gesagt, ich finde das richtig cool! Läufer:innen brauchen eine Plattform, Laufgeschichten brauchen eine Bühne und schließlich ist Laufen auch gut für unsere physische und psychische Fitness. Doch diese Zunahme an Events hat nicht nur das Interesse am Laufsport geweckt, sondern auch den Wettkampfcharakter verstärkt. Was einst ein lockeres gemeinsames Training war, ist heute oft ein Umfeld, in dem persönliche Bestzeiten und das Erreichen von Leistungszielen im Vordergrund stehen.
Ich erinnere mich noch an 2017/18, als ich Laufgruppen für mich entdeckt habe. Ich erinnere mich noch an 2017/18, als ich Laufgruppen für mich entdeckt habe. Wir haben gemeinsam Intervalle trainiert, uns auf den nächsten Wettkampf vorbereitet und uns je nach Laufniveau in Gruppen aufgeteilt – so war für jeden etwas dabei.
Es ist völlig verständlich, dass Running Clubs nicht alle Distanzen von 2 bis 20 Kilometern und jede Pace abdecken können. Es fehlen vermutlich oft die Ressourcen wie Zeit, Geld oder auch die Nachfrage.
Allerdings habe ich das Gefühl, dass es vermehrt nur noch darum geht, welche Laufgruppe die beeindruckendsten Community-Events, die tollsten Lauferlebnisse und die meisten Läufer:innen mit den höchsten Ambitionen hat. Prove me wrong.
Leistungsdruck und Gatekeeping in Lauf-Communities: Ein wachsendes Problem
Wer heute eine Lauf-Community gründet, steht vor der Herausforderung, sich zu beweisen. Dabei frage ich mich, wer diesen Druck zuerst aufbaut: der Laufclub selbst oder die Mitglieder, die ihn formen. Egal, aus welcher Richtung er kommt – es dreht sich alles um Leistung.
Und das ist meiner Meinung nach der entscheidende Grund, warum sich Lauf-Communities so stark verändert haben. Und dieser Leistungsdruck hat verschiedene Ursprünge:
1. Soziale Medien und Selbstdarstellung
Plattformen wie Instagram oder Strava fördern die Selbstdarstellung, wobei oft das Teilen von persönlichen Erfolgen, Bestzeiten und Trainingsstatistiken im Vordergrund steht. Es geht dabei nicht nur um das bloße Teilen einer Aktivität, sondern um präzise Beschreibungen, harte Fakten und die schönsten Lauffotos.
Diese öffentliche Darstellung kann bei anderen Läufer:innen den Druck erzeugen, sich mit den Leistungen ihrer Community-Mitglieder zu vergleichen. Auch das "Mitlaufen" wird so zu einem Mittel, um Anerkennung und Bestätigung von anderen zu bekommen, was den Spaßfaktor mindern kann.
Hat jemand die Strecke X schneller absolviert als ich? Das darf nicht sein – ich muss mir den ersten Platz zurückholen! Ein typisches Strava-Phänomen.
2. Mehr Wettkampf, weniger “einfach laufen”
Viele ursprüngliche Lauf-Communities waren stark gemeinschaftsorientiert und dienten als sozialer Raum, um Spaß zu haben, sich auszutauschen und die gemeinsame Leidenschaft für das Laufen zu teilen. Sie dienten als sozialer Raum, um Spaß zu haben, sich auszutauschen und die gemeinsame Leidenschaft für das Laufen zu teilen. Doch mit dem zunehmenden Fokus auf individuelle Leistungen und Wettkämpfe, wie ich bereits oben beschrieben habe, geht dieses Gefühl der Zusammengehörigkeit immer mehr verloren.
Läufer:innen, die sich weniger auf Wettbewerbe konzentrieren, können sich in solchen Laufgruppen nicht mehr wohlfühlen – stattdessen entsteht der Druck, schneller und besser zu werden, anstatt die Freude am Laufen zu genießen.
3. Elitismus und "Gatekeeping"
Wie in anderen Hobbys oder Sportarten kann es auch in Lauf-Communities zu einer Form des "Gatekeepings" kommen.
Menschen, die sich stärker mit dem Wettkampf identifizieren, könnten andere Läufer:innen als "weniger ernsthaft" oder "nicht wirklich dabei" betrachten, wenn sie langsamer laufen, weniger oft trainieren oder nicht an bestimmten Events teilnehmen. An dieser Stelle dürfen wir auch Laufveranstaltungen und Marken nicht vergessen, die ebenfalls zum Wandel der Laufkultur beitragen.
Hochwertige Ausrüstung, detaillierte Trainingspläne und gesponserte Athleten vermitteln oft das Bild, dass nur die besten und schnellsten Läufer:innen die “echten” Vertreter des Sports sind.
Und das ist meiner Meinung nach eine der schlimmsten Veränderungen, die es heutzutage gibt. Warum? Diese Denkweise schafft eine toxische Atmosphäre, in der der Druck auf die Teilnehmenden wächst, bestimmten Standards zu entsprechen, um in der Gruppe akzeptiert zu werden. Wer meine Beiträge liest oder mir auf Instagram folgt, weiß, dass auch ich mich oft so gefühlt habe.
Die Folgen von Gatekeeping in Laufgruppen
Diese zunehmende Vergleichskultur hat Schattenseiten: Laufen sollte in erster Linie Freude bereiten und Spaß machen – sei es durch die frische Luft, den Ausgleich zum Alltag oder das Erleben von Natur und Bewegung. Doch wenn der Fokus zu stark auf Wettbewerb und Leistung liegt, geht dieses Gefühl verloren – die "runnerfeelings" bleiben sprichwörtlich auf der Strecke.
Läufer:innen, die sich nicht den Leistungserwartungen ihrer Gruppe anpassen können oder wollen, fühlen sich nicht nur ausgeschlossen, sondern werden es auch. Die Freude am Laufen, die sonst im Vordergrund stand, weicht dem ständigen Druck, besser, schneller und stärker zu werden. Unter anderem war auch das damals ein Grund für mich, nicht mehr in einer Laufgruppe zu laufen.
Wie exklusive Einstellungen den Spaß am Laufen mindern
Das Gatekeeping in Laufgruppen hat jedoch noch mehr negative Auswirkungen, die weit über jede:n Einzelne:n hinausgehen. Ich bin der Meinung, das Laufen als Leidenschaft sollte uns alle verbinden.
Doch was stattdessen passiert, ist, dass der Laufsport für viele weniger zugänglich wird, insbesondere für Anfänger:innen, Menschen mit weniger Lauferfahrung oder solche, die nicht das Ziel haben, Bestzeiten zu erreichen.
Lauf-Communities sollten eigentlich ein Ort sein, an dem man sich gegenseitig unterstützt, motiviert und gemeinsam Fortschritte macht. Gatekeeping zerstört dieses Gemeinschaftsgefühl, da es den Sport in eine exklusive Aktivität verwandelt, bei der nur jene willkommen sind, die bestimmte Kriterien erfüllen.
Ich erinnere an das oben genannte Beispiel: Wer eine 7:00er Pace läuft, hat es wirklich sehr schwer, eine Laufgruppe zu finden.
Der schmale Grad zwischen Leistung und Motivation in Laufgruppen
Ambitionierte Ziele und persönliches Wachstum in Laufgruppen sind per se nichts Schlechtes.
Im Gegenteil: Viele Läufer:innen finden darin einen tiefen Sinn und erleben Freude daran, sich mit anderen zu messen und gemeinsam besser zu werden. Das Problem im Kern entsteht dann, wenn der individuelle Fortschritt zur alleinigen Messlatte für Erfolg und Anerkennung innerhalb einer Community wird.
Wollen wir nicht alle laufen, um des Laufens willen und nicht, weil andere größere Ziele haben als wir selbst? Muss es der Halbmarathon beim nächsten Laufevent sein, wenn uns ein Zehner viel glücklicher macht? Muss es überhaupt ein Laufevent sein? Reicht uns nicht mehr die Runde im Park?
Vielleicht bin ich an dieser Stelle schon weiter als andere. Mein Körper kann nicht mehr höher, schneller, weiter. Wenn er es noch könnte … wer weiß, wie viele Halbmarathons ich noch gelaufen wäre. Vielleicht hätte ich auch einen Trailrun absolviert, weil es gerade so viele machen. Es ist ja im Trend.
Fazit: Machen uns Laufgruppen eher unglücklich als glücklich?
Nein, nicht grundsätzlich.
Nur weil der aktuelle Trend verstärkt auf Leistung setzt, bedeutet das nicht, dass alle Lauf-Communities exklusiv oder wettbewerbsorientiert agieren. Es mag zwar schwieriger geworden sein, eine passende Laufgruppe zu finden, in der es wirklich um Gemeinschaft und Spaß geht, aber auch solche Gruppen gibt es nach wie vor.
Ich erinnere mich noch gut an eine frühere Laufgruppe, bei der es an einem Tag in der Woche mehrere Pace-Gruppen gab, sodass jede:r auf dem eigenen Niveau laufen konnte. Wenn ich mir heute Lauf-Communities anschaue, wirken die meisten eher hochnäsig. Vielleicht täuscht das auch manchmal, aber aus Gesprächen mit Freund:innen
weiß ich, dass ich mit dieser Wahrnehmung nicht alleine bin. Es gibt sicherlich eine Tendenz zu mehr Elitismus und Gatekeeping, die vor ein paar Jahren noch weniger präsent war.
Am Ende ist jede:r eine Läuferin, die läuft. Niemand ist mehr oder weniger wert. Ich dachte leider auch eine Zeit lang, dass ich nicht mehr dazugehöre – weil ich weniger und langsamer als früher laufe und keine ambitionierten Ziele mehr habe. Ich weiß mittlerweile, dass ich trotzdem dazu gehöre. Aber ich bin nicht alle.
Deshalb wünsche ich mir wieder mehr Inklusivität – vielleicht gründe ich ja eine eigene Laufgruppe …
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