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Laufzitate zwischen Disziplin und Überforderung: Was „Don’t stop when you’re tired. Stop when you’re done.“ wirklich sagt

Ich wette, dass ihr diesen Spruch schon einmal irgendwo gelesen habt: „Don’t stop when you’re tired. Stop when you’re done.“ Klingt auf den ersten Blick super motivierend, doch beim genauen Hinsehen denke ich mir: “Hmm, klingt auch toxisch.” Oder? 

Woher das Zitat kommt, was es im Kern bedeuten soll und wann es schwierig werden kann, schauen wir uns jetzt gemeinsam an – beyond the runner’s feelings.

Was möchte uns der Spruch "Don't stop when you're tired. Stop when you're done." wirklich sagen?
Was möchte uns der Spruch "Don't stop when you're tired. Stop when you're done." wirklich sagen?
„Don’t stop when you’re tired. Stop when you’re done.“ David Goggins

Das Zitat* stammt von David Goggins, einem Ex-Navy SEAL, der Ultra-Läufe gefühlt mit gebrochenen Knochen zu Ende bringt. Ein Mann, der so wirkt, als hätte er sogar beim Zähneputzen einen passgenauen Trainingsplan.


 „Don’t stop when you’re tired. Stop when you’re done.“


Wann der Spruch beim Laufen tatsächlich motivieren kann


Der Spruch richtet sich gegen unser bequemes Selbst, gegen das Aufgeben aus Bequemlichkeit und appelliert an diesen einen Teil in uns, der weiß: Ich kann mehr, als ich gerade will.


Vielen Läufer:innen kann das enorm helfen. Vor allem dann, wenn die Hürde nicht körperlich ist, sondern mentaler Natur. Mir fällt ein solcher Moment ein. Bei einem Lauf-Wettkampf von 6 Kilometern war die Strecke falsch abgemessen. Es waren 6,5 Kilometer, meine Beine stoppten jedoch fast automatisch, als meine Laufuhr 5,9 Kilometer anzeigte. 

Das Fatale? Wie von Geisterhand blieb ich sogar stehen. Mittlerweile muss ich darüber schmunzeln, damals war ich den Tränen nahe, weil ich irgendwie nicht mehr konnte. Das war ein Irrglaube. Natürlich konnte ich noch.


Den Satz  „Don’t stop when you’re tired. Stop when you’re done.“ hätte ich zu dem Zeitpunkt wirklich gut gebrauchen können.


Wenn der Körper "Nein" sagt: Die unterschätzten Gefahren von Motivationssprüchen


Klingt doch nach einem vernünftigen Appell, oder? Naja. Nicht ganz. Stellen wir uns mal vor, dass unser heutiges Training 800-Meter-Intervalle vorschreibt.


Wir gehen rein. Dann zwickt's, tut’s weh, uns wird übel (We’ve all been there). 


Das sind alles unterschwellige Warnsignale, die wir bestimmt ignorieren, weil unser Trainingsplan weiterläuft und der Halbmarathon nun mal nicht fragt, wie’s denn dem Tibialis anterior heute so geht.

In unserem Kopf entsteht nun dieser laute Aufschrei: „Don’t stop when you’re tired. Stop when you’re done.“


SCHREI DOCH NICHT SO LAUT! Der Satz klingt automatisch wie ein Befehl. Oder ein Mantra – ehrlicherweise kommt’s drauf an, in welcher Stimmung man ist. Und in diesem Beispiel ist die Stimmung eher dunkelrot.


Warum uns Disziplin beim Laufen manchmal in die Erschöpfung führt


Ich bin absolut zwiegespalten, wenn ich diesen Spruch lese.


Denn wenn ich ehrlich bin, trifft er genau einen Nerv. Klar. Weil wir alle doch irgendwann einfach nur noch müde sind, und trotzdem weitermachen. Warum? Weil wir uns einreden, dass das Durchziehen das einzige ist, was zählt. Wir wollen ja schließlich fertig werden. Mit den ungemütlichen Intervallen. Dem lästigen Longrun. Für den nächsten Laufwettkampf. Oder für was auch immer.



David Goggins hat daraus eine Art Lebensphilosophie gemacht: weiterlaufen, wenn alle anderen schon längst stehen geblieben sind. Er nennt das die 40%-Regel: Wenn du denkst, du kannst nicht mehr, hast du erst 40 % deiner Leistung ausgeschöpft. Für ihn ist Müdigkeit kein Signal, dass man aufhören oder, wie ich meine, ins Bett gehen sollte – für ihn gilt es vielmehr als der Anfang. 


Ob das stimmt? Tja, keine Ahnung. Aber was ich weiß: Ich war schon oft bei 90 %, habe trotzdem weitergemacht und mich Wochen später gefragt, warum ich eigentlich so müde bin. Erschöpft. Ausgelaugt.

Ja, ich komme mir ein wenig passiv aggressiv vor, während ich diese Zeilen tippe.

Noch weiß ich nämlich nicht, was mein Fazit von diesem Blogbeitrag sein wird – und das ist selten der Fall.


Ich frage mich: Woher kommt eigentlich dieses Misstrauen uns selbst gegenüber? Da ist doch eine Art von Misstrauen, oder nicht?


Warum trauen wir unserem Gefühl nicht, wenn es sagt: Stopp. Und warum glauben wir, das Ziel liegt immer hinter der Erschöpfung, aber nie davor?


Auch mental kann es kritisch werden:

Wer ständig „durchzieht“, obwohl alles in einem nach Ruhe schreit, riskiert nicht nur eine Verletzung, sondern auch das Runner’s Burnout.

Was ist mit Leichtigkeit, Naturgenuss, dem Runner’s High? Wenn alles zum „Zielstrebigmachen“ und Schmerz pathologisiert wird, bröckelt unser eigentliches “Warum”; warum wir laufen. 



Fazit: Zwischen sinnvoller Motivation und Lauf-Burnout


Das Problem: Der Spruch unterscheidet nicht zwischen wirklicher Erschöpfung (nicht Müdigkeit!)  und dem inneren Schweinehund. Diese Arbeit müssen wir selbst leisten. Doch können wir das, wenn wir einem Mantra folgen wollen?


Ich schreibe diese Beiträge, weil ich genau ein solches Bewusstsein dafür schaffen möchte, wie wir für uns Floskeln, Mantras oder Hashtags aus der Läufer:innen-Bubble wahrnehmen sollten. Natürlich hängt alles im Leben von der eigenen Persönlichkeit, den Umständen und den Zielen ab. 


Für jemanden im Ultramarathon-Training mag dieser Satz ein stabiler mentaler Anker sein. Für jemanden, der gerade aus einer Verletzung kommt oder in einer sensiblen Lebensphase steckt, kann er eher kontraproduktiv sein.


Wir sollten uns selbst weniger misstrauen und körperliche Signale ernst nehmen, oder zumindest mal genauer zu beobachten. Unser Kopf entscheidet NICHT über unseren Körper hinweg, sie sind ein Team. Und das vergessen viele.


1 Comment

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Runner Jan
vor 5 Tagen
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Ich kenne diesen Spruch, mich motiviert er schon. Du hast aber auch Recht. Guter Beitrag!

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