Zwischen Tu-es-day und Sunday Runday – was Lauffloskeln uns wirklich sagen wollen
- Nele Doerk
- 11. Mai
- 3 Min. Lesezeit
Ob Sunday Runday, No excuses oder No pain, no gain – im Laufkosmos wimmelt es von motivierenden Floskeln, die längst mehr sind als bloße Sprüche. Vorne mit dabei: Die “Wochentagsmotivation”, wie ich sie nenne. Schauen wir uns das Ganze mal genauer an. – beyond the runners' feelings.

Warum wir Floskeln brauchen – ein Blick in den Kopf
Ich bin müde. Und das, obwohl heute der offizielle “Sunday Runday” ist. Müdigkeit 0 : 1 Laufen. Blöd ist es auch, wenn ich am Montag meine Laufmotivation ewig lange suchen muss. Denn es ist schließlich ein Vibe, ein fahres Ereignis: Die #Mondaymotivation.
Wem am Montag lieber nach Regeneration und Durchatmen ist, der hat ja zum Glück noch den Dienstag als Joker im Ärmel. Denn es ist Tu-es-day. Na, jetzt aber Laufschuhe an und los!
Ich muss ein wenig grinsen, während ich diese Zeilen tippe. Es ist schon absurd, was gewisse Lauffloskeln mit uns machen.
Laut der Sprechakttheorie (J.L. Austin, John Searle) erzeugen bestimmte Aussagen wie “Sunday Runday” nicht nur Bedeutung, sondern auch eine Handlungserwartung. Das heißt: Wenn wir eine Lauf-Floskel hören oder selbst nutzen, erzeugt das einen Impuls zum Handeln. Wir wollen in die Umsetzung gehen. Gleichzeitig wirken solche Begriffe wie mentale Trigger, also kognitive Reize, die Handlung vorbereiten – ein Prinzip, das in der Priming-Forschung gut beschrieben ist (Bargh et al., 1996). Das heißt: Wer bestimmte Wörter hört oder liest, gerät eher ins Tun. In diesem Fall: die Laufschuhe anziehen, weil der Spruch es suggeriert.
Doch es geht nicht nur um Handlung, sondern auch um Zugehörigkeit. Floskeln sind ein soziales Signal: Wer „#SundayRunday“ postet, sendet ein leises „Ich gehöre dazu“ an die Lauf-Community. Wenn die Timeline voll ist mit motivierenden Slogans und Lauf-Selfies, wird das, was wir tun, oder eben nicht tun, plötzlich sichtbar UND messbar.
Laufsprüche: Zwischen Ritual und Druck
Lauffloskeln der Woche wie Sunday Runday, Monday motivation oder Tu-es-day sind in den letzten Jahren zu festen Größen in unserer digitalen Laufwelt geworden. Sie tauchen unter Hashtags auf, in Instagram-Captions, auf T-Shirts, Tassen und Motivationskalendern. Ich hoffe, niemand von euch hat ein solches Wandtattoo in der Wohnung kleben …
Auf den ersten Blick wirken sie harmlos, fast charmant. Kleine Reminder, die uns mit einem Augenzwinkern zum Laufen animieren sollen. Ist ja nett gemeint.
Aber wer regelmäßig läuft, und vor allem regelmäßig nicht läuft, merkt schnell: Diese Phrasen sind nicht nur kleine Sprüche – sie sind Erwartungshaltungen in hübsche Buchstaben verpackt. Subtiler Druck in Komik getränkt. Und ich wette ich liege richtig wenn ich sage, dass sie manchmal auch ein Reminder sind, der zur falschen Zeit kommt.
Denn was, wenn ich am Sonntag nicht laufen möchte? Ein Schelm, wer Böses denkt.
Sprache formt unser Denken. Auch im Laufsport.
Wenn ein Vibe zur Verpflichtung wird
Niemand denkt womöglich so sehr über Lauffloskeln nach wie ich. Das ist auch gut so, denn sonst wären meine Texte wohl für die Katz.
Was ich an dieser Stelle hervorheben möchte: Sprache formt unser Denken. Auch im Laufsport. Was als lockere Motivation gedacht war, verwandelt sich manchmal schnell in ein Raster: Wer wann läuft, wie oft, mit welchem Spruch. Es entsteht eine gewisse Symbolik und mit ihr eine Idee, dass bestimmte Wochentage für bestimmte Leistungen reserviert sind. Sunday? Longrun. Monday? Motiviert sein. Tuesday? Tu-es.
Was auf Social Media oder im verbal Gesagten wie ein Antrieb wirkt, kann im Alltag ganz schön anstrengend werden. Denn die kleinen Sprüche lassen selten Platz für Zweifel, Pausen oder Müdigkeit. Zumindest suche ich diese Lücke manchmal vergebens.
Müdigkeit ist real. Verletzungen sind real. Unlust ist real. Und dann fühlen wir uns nicht nach einem Sunday Runday.
Lauffloskeln sind nicht böse
Die Frage von meinem Artikel ist nicht, ob solche Lauffloskeln erlaubt sind – natürlich sind sie das!
Sondern: Wie gehen wir mit ihnen um? Werden sie zu einem Maßstab, an dem wir uns messen? Oder zu einem Impuls, der uns leicht lächelnd an die frische Luft bringt?
Vielleicht ist es wie so oft im Leben: Die Bedeutung entsteht nicht in dem, was gesagt wird, sondern in dem, wie wir es hören. Sender-Empfänger-Prinzip, ihr kennt es aus der Schule. Wer Sunday Runday als Einladung zum Loslassen statt zum Loslaufen versteht, gewinnt.
Lauffloskeln sind ein Produkt unserer Zeit. Sie funktionieren wie Memes mit Muskelkater: charmant, ironisch, aber manchmal tun sie auch weh. Ich nutze sie ja selbst!
Also: Wenn du Lust hast zu laufen – lauf. Wenn du müde bist – ruh dich aus. Wenn du lachen musst über ein überambitioniertes No Pain No Gain, dann lache.
Oder aber lies diesen Artikel von mir: No Pain, no gain? Warum die Hustle Culture im Laufsport alle Grenzen überschreitet – und das fatal ist.
Achja: und wenn du das Gefühl hast, du musst heute nichts tun… du weißt schon.
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