Krafttraining spielt eine entscheidende Rolle für Läufer:innen – nicht nur zur Leistungssteigerung, sondern auch bei der Rehabilitation nach Verletzungen. Aber das wisst ihr wahrscheinlich schon. Wie gezielte physiotherapeutische Übungen helfen können, den Körper zu stabilisieren und Fehlbelastungen vorzubeugen, erkläre ich euch an meinem eigenen Beispiel und in Zusammenarbeit mit meinem Physiotherapeuten Michael Langner.
Disclaimer:
Jeder Körper ist individuell, und jede Verletzung erfordert eine spezifische Behandlung. Der Weg, den ich gewählt habe, kann dir als Inspiration dienen, ersetzt aber keine professionelle Beratung. Spreche mit deinem Arzt, deiner Ärztin und deinem Physiotherapeuten, deiner Physiotherapeutin, um einen auf dich abgestimmten Behandlungsplan zu entwickeln.
Meine Physiotherapie-Erfahrung als Läuferin: Rehabilitation nach einer Fußverletzung
Ich habe drei sehr effektive Monate Physiotherapie hinter mir. Auch wenn die Diagnose mit meinem Fuß nicht ganz klar war, so lag folgende Vermutung nahe: Nach meiner Bänderzerrung 2022 im rechten Fuß, bin ich in eine starke Fehlbelastung gefallen, bin “schief” gelaufen und habe unbewusst rechts eine Schonhaltung eingenommen.
1,5 Jahre hat mein linker Fuß das mitgemacht – dann nicht mehr. Es war weder etwas gebrochen, noch etwas gestaucht oder ähnliches. Doch meine Gelenke müssen sehr stark gelitten haben.
Deshalb war die Richtung klar: Ich musste gezielt meine Fußgelenke stärken, die Körpermitte stabilisieren, sowie die Oberschenkel- und Hüftmuskulatur kräftigen. Zugegeben, am Anfang war ich ziemlich unsicher, teilweise demotiviert und hatte Angst, dass all das Training keine wirklichen Fortschritte bringen würde. Doch ich wusste auch, dass ich nichts zu verlieren hatte – außer vielleicht meine Schmerzen.
Warum Krafttraining für Läufer:innen wichtig ist
Ich habe das Krafttraining als Läuferin genauso ernst genommen wie manch eine Vorsorgeuntersuchung: nämlich gar nicht. Vorbildlich ist das definitiv nicht – doch auch ich lerne dazu. Leider erst dann, als es schon so gut wie zu spät war.
Krafttraining ist für Läufer:innen nicht nur eine nette Ergänzung, es ist verdammt wichtig: Es stärkt nicht nur die Bein- und Fußmuskulatur, sondern hilft auch dabei, die Rumpfstabilität zu verbessern, die für eine effiziente Lauftechnik relevant ist. Mit der Physiotherapie wurde mir klar, dass ich genau diese Bereiche vernachlässigt habe. Meine Schonhaltung nach der Verletzung führte dazu, dass ich bestimmte Muskeln kaum noch beanspruchte und andere überforderte. Fehlhaltungen und ein schwaches Fundament waren die Folge.
Ich fühle mich fast ein wenig schlecht, während ich diese Zeilen schreibe – ich hätte es besser wissen müssen. Dass Krafttraining so wichtig ist und es um mehr als einen ästhetischen Aspekt geht (der mir halt nie so sehr an ihr gefiel), hätte ich wissen müssen. Habe ich jedoch nicht. Deshalb mein Appell an alle Läufer:innen: Investiert in das Krafttraining, wenn ihr lange Freude am Laufen haben wollt.
5 Gründe, warum Läufer:innen Krafttraining machen sollten
1. Bessere Laufökonomie
Krafttraining reduziert den Energieverbrauch pro Schritt, was längeres, schnelleres und entspannteres Laufen ermöglicht. Besonders die Rumpf- und Beinmuskulatur wird effizienter – und das spürst du direkt an deiner Ausdauer.
2. Verletzungsprävention
Krafttraining stabilisiert Muskeln, Sehnen und Gelenke, insbesondere an Hüfte, Knien und Füßen. So senkst du das Risiko für typische Laufverletzungen wie Knieschmerzen oder Achillessehnenprobleme erheblich.
3. Ausgleich von Muskelungleichgewichten
Laufen beansprucht vor allem Muskeln in der Vorwärtsbewegung, was zu Ungleichgewichten führen kann. Krafttraining, wie einbeinige Übungen oder Ausfallschritte, bringt den Körper ins Gleichgewicht und beugt Überlastungen vor.
4. Mehr Kraft und Schnelligkeit
Regelmäßiges Krafttraining erhöht die Power pro Schritt, was dich schneller und explosiver macht – ohne die Schrittfrequenz zu erhöhen. Besonders im Intervalltraining und bei Wettkämpfen ein großer Vorteil.
5. Stärkere Knochen und Schutz vor Osteoporose
Krafttraining stärkt nicht nur die Muskeln, sondern auch die Knochen, was hilft, Osteoporose vorzubeugen und Stressfrakturen zu vermeiden. Starke Knochen sind essenziell für langfristiges, verletzungsfreies Laufen.
Krafttraining vs. Physiotherapie – Worin liegt der Unterschied?
Während Krafttraining auf den Aufbau von Muskelkraft, Ausdauer und allgemeiner Fitness abzielt, hat Physiotherapie einen klaren Reha-Fokus. Sie hilft, nach Verletzungen oder bei chronischen Schmerzen die Funktion von Muskeln, Gelenken und Nerven wiederherzustellen. Physiotherapie setzt häufig auf individuelle Programme, die auf spezifische Schwächen eingehen, während Krafttraining die allgemeine Leistungsfähigkeit verbessert.
Mein Physiotherapeut Michael Langner erklärt, dass Krafttraining stets ein Tool in der Physiotherapie sein sollte, deshalb sollte man Krafttraining und Physio nicht so stark gegenüberstellen. Beide haben vieles gemeinsam, auch wenn die Intention zunächst eine andere sein kann. Eine Kniebeuge ist per se nichts anderes, als das Aufstehen von der Couch im Alltag – deshalb ist es wichtig, das Alltägliche in die Physiotherapie zu integrieren, wobei der Kraftsport hierfür die effizienteste Methode ist.
Interview mit Physiotherapeut Michael Langner und die besten Übungen zur Prävention und Rehabilitation
Michael “Michi” ist Physiotherapeut bei EUPHYSIO in München.
Michi hat sich sein Leben lang mit Bewegung beschäftigt, unter anderem durch sein Studium an der Hochschule für Musik und Theater in München. Dort hat er klassischen Tanz studiert und hat das Staatsballett in München sowie die Semperoper in Dresden maßgeblich geprägt.
Heute betreut er weiterhin die Tänzer:innen des Gärtnerplatztheaters.
Als ehemalige Tänzerin fühle ich mich dadurch natürlich doppelt und dreifach gesehen.
Ich kenne Michi schon seit 2023, als ich das erste Mal wegen meiner Sehnengeschichte am rechten Fuß auf Physiotherapie gesetzt habe. Zu diesem Zeitpunkt haben wir viel manuell gearbeitet.
Von April - August 2024 war ich wegen meiner Fußverletzung wieder bei ihm in Behandlung – mittlerweile habe ich 18 Sitzungen hinter mir und es geht mir nach dieser Zeit gesundheitlich wirklich um einiges besser.
Er hat mich mit seiner Expertise bei diesem Blogbeitrag unterstützt, damit auch alles seine Richtigkeit hat und ihr die richtigen Informationen mitnehmen könnt.
Doch ich habe auch noch ein paar Fragen …
runnerfeelings: Was sind die besten Techniken zur Erholung nach einem intensiven Lauftraining oder einem Wettkampf?
Michael: Wir wissen, dass Trainingsreize in der Erholungs-/Regenerationsphase umgesetzt werden. In dieser Zeit sollte man demnach als erstes seinem Körper die verlorengegangenen Mineralstoffe bieten und an eine Eiweiß-/und kohlenhydratreiche Mahlzeit denken.
Ausreichend Schlaf ist mindestens genauso wichtig. Unterstützen kann man das natürlich noch mit einem heißen Bad, Massagen und einem kleinen regenerativen Training wie z.B. Stretching.
runnerfeelings: Welche Bedeutung haben Massagen und andere manuelle Therapien in der Rehabilitation und Prävention von Laufverletzungen?
Michael: Bei Defiziten können manuelle Therapien die Funktion und Beweglichkeit von Gelenken verbessern, was Verletzungen vorbeugt. Massagen und andere äußere Anwendungen beschleunigen die Regenerationsphase nach dem Training.
runnerfeelings: Wie oft sollten Läuferinnen Physiotherapie-Sitzungen in ihren Trainingsplan integrieren, um Verletzungen vorzubeugen und die Leistung zu verbessern?
Michael: Schwer zu sagen – das ist natürlich sehr individuell und typabhängig.
Grundlegend kann Physiotherapie immer eine Hilfe sein, auch ohne akute Probleme, oder ist sogar als Begleitung sinnvoll. Spätestens bei wiederkehrenden Beschwerden oder einfach beim Stagnieren im Training, ist Physiotherapie ratsam. Um sein Leistungsniveau zu steigern und Verletzungen vorzubeugen, ist ohnehin ein begleitendes Krafttraining erforderlich, ob mit oder ohne Physio ;)
runnerfeelings: Wie gehst du als Physiotherapeut mit der Herausforderung um, wenn du merkst, dass Patient:innen ihre Angst aufgrund von Verletzungen mit ins Physio-Training bringen?
Michael: Angst ist eine sehr dominierende Emotion und hindert definitiv den Sportler, seine volle Leistung zu aktivieren und sich aufs Wesentliche zu konzentrieren, was im schlimmsten Fall zu noch mehr Verletzungen führen kann. Dementsprechend wird das Training natürlich angepasst und langsam aufgebaut. Der Sportler soll erstmal nur das machen, wobei er sich wohlfühlt.
Daraus entsteht wieder Vertrauen in den Körper und Ängste werden abgelegt. So macht man erstaunlich schnell Fortschritte.
Ein bisschen spezifische Fragen, die sich auf meinen Behandlungsfall konzentrieren:
runnerfeelings: Thema Fußschmerzen: Aus deiner Erfahrung – was glaubst du, was sind die meisten Ursachen bei Läufer:innen, wenn Schmerzen im Fuß auftreten?
Michael: Aus meiner Erfahrung resultieren Fußschmerzen bei Läufer:innen häufig aus zu schwacher Muskulatur, aus denen dann Überlastunssymptome entstehen, wie z.B. Entzündungen in den Sehnen.
Zudem spielen häufig eine schwache Fußmuskulatur und eingeschränkte Beweglichkeit in den Gelenken der unteren Extremitäten, vom Sprunggelenk über die Hüfte bis hin zur Wirbelsäule, eine Rolle.
Diese Defizite können dazu führen, dass wichtige Funktionen, wie z.B. das Abfedern beim Laufen eingeschränkt sind und sich auf Dauer u.a. auch Überlastungs- und Abnutzungserscheinungen bemerkbar machen können.
runnerfeelings: Speziell sind bei mir keine direkten Fußübungen dabei – warum helfen diese Übungen dennoch, meine Fußmuskulatur zu stärken?
Michael: Auch wenn keine direkten Fußübungen dabei sind, können viele Übungen, die andere Muskelgruppen betreffen, indirekt die Fußmuskulatur stärken. Das Stichwort lautet hier: Muskelkette! Unsere Muskeln sind alle miteinander verbunden, um bestimmte Funktionen zu erfüllen. Im Prinzip kommt die ganze Stabilität aus der Körpermitte. Dazu gehören Bauch, Rücken, Zwerchfell und der Beckenboden –diese sind der Kern für die Stabilität.
runnerfeelings: Wie oft sollten Läufer:innen die Übungen machen?
Michael: Ein Trainingsvolumen von 2-3 Mal pro Woche für 15-20 Minuten ist ideal, um die Übungen als Warm-up oder Cool-down ins Lauf- und Krafttraining zu integrieren.
Dabei gilt: Je intensiver das Training, desto weniger Einheiten pro Woche sind ausreichend – wichtig ist, dass der Reiz den Muskel erreicht.
Gezieltes Krafttraining für Läufer:innen: Meine 5 Übungen für eine stabile Körpermitte
Wichtige Info am Rande: Diese fünf Übungen sind ein Auszug meines Trainingsplans. Mit den Gewichten habe ich mich langsam gesteigert. Bei mir sind eine Instabilität der Hüfte, ein schwächeres, rechtes Bein (Knie knickt oft nach Innen) und eine nicht so ausgeprägte Rumpfmuskulatur größere Baustellen. Das hat natürlich negative Auswirkungen auf Füße und Sprunggelenk.
1. Kniebeugen mit Langhantel
Ausführung
Füße ein wenig breiter als die Schultern auseinanderstellen, Zehen leicht nach außen drehen.
Knie in Linie mit den Zehen führen, nicht nach innen kippen lassen.
Rücken gerade halten (Becken kippen), kein Rundrücken; Brust nach vorne und oben.
Bauchmuskulatur anspannen (Becken aufrichten), um die Wirbelsäule zu stabilisieren.
Gewicht gleichmäßig auf den ganzen Fuß verteilen, nicht nur auf den Zehen oder Fersen.
Vorteile
Übungen wie Kniebeugen oder Ausfallschritte aktivieren die großen Muskelgruppen und den Rumpf. Der Fuß wird zudem gestärkt und trainiert, bei jeder Bewegung stabil zu bleiben.
2. Kettlebell 1-Bein-Stabilisation mit Rotationsbelastung
Ausführung
Halte in jeder Hand einen Kettlebell oder Dumbbells.
Stelle ein Bein vor das andere (kein Ausfallschritt), beuge beide Knie leicht (hinteres und vorderes Bein).
Stelle sicher, dass dein Gewicht nur auf dem Standbein ist. Das hintere Bein dient dem Gleichgewicht.
Senke den Oberkörper und stelle durch eine maximale Beckenkippung sicher, dass dein Rücken (LWS) gerade ist.
Ziehe die Gewichte abwechselnd zum Rumpf, während du mit dem Oberkörper in die jeweilige Richtung rotierst (nach links und rechts).
Was bei der Ausführung wichtig ist:
Kernmuskulatur aktiv halten, um Stabilität im Standbein zu trainieren.
Arme abwechselnd und kontrolliert heben, ohne Schwung.
Rücken gerade halten, um Fehlbelastungen zu vermeiden.
Gewicht auf dem vorderen Bein halten.
Vorteile
Übungen, die die sogenannte Intermuskuläre Koordination trainieren, wie z.B. auf einem Bein zu stehen oder dynamische Stabilitätsübungen, fördern die Propriozeption (das Körpergefühl).
3. Seitlicher Unterarmstütz mit Knieöffnung
Ausführung
Knie kontrolliert öffnen, ohne die Hüfte nach vorne oder hinten kippen zu lassen.
Unterarm fest auf dem Boden platzieren, Ellenbogen direkt unter der Schulter.
Bauchmuskulatur und Gesäß aktivieren, um die Spannung im gesamten Körper zu halten.
Vorteile
Diese Übung bringt mehrere Vorteile: Sie stärkt die seitliche Rumpfmuskulatur, verbessert die muskulär geführte Hüftstabilität und, aktiviert die Gesäßmuskulatur – insbesondere den Gluteus medius – und fördert Balance sowie Körperkontrolle.
4. Knieübung mit Theraband im Sitzen
Ausführung
Terraband oberhalb der Knie befestigen, um konstanten Widerstand zu erzeugen
Aufrecht sitzen, Schultern zurück und den Rücken gerade halten
Beine mehr als hüftbreit anwinkeln, Füße angewinkelt
Durch Rotation nach innen ziehen, gegen den Widerstand des Bands, ohne ruckartige Bewegungen
Vorteile
Diese Übung stärkt vor allem die innere Oberschenkelmuskulatur (Adduktoren) und verbessert die Mobilität der Hüfte. Ein häufiges Defizit ist die federnde Funktion der Hüfte, d.h. die Innenrotation. Diese Übung hilft, das Defizit auszugleichen. Gleichzeitig werden die Adduktoren gekräftigt.
Fazit: Krafttraining und Physiotherapie – Die perfekte Kombination für Läufer:innen
Diese Übungen haben mir geholfen, nicht nur mein Selbstvertrauen wiederzufinden, sondern auch meine Fußmuskulatur zu stärken. Das passiert nicht von heute auf morgen. Mir war wichtig, dass ich dort nicht alleine durch muss, weshalb ich 18 Stunden Physiotherapie absolviert habe – in der Regel bekommt man 1x 6 Stunden.
Ein absoluter Herzens-Tipp von mir: Eine richtig gute Physiotherapie soll euch nicht nur massieren. Ihr müsst dafür arbeiten. Von den 18 Stunden hatte ich zwei Einheiten, die für die Massage und Mobilisierung waren. Das ist richtig und wichtig. Doch Kraftübungen sind unabdingbar.
Jetzt, nach der Physiotherapie und den intensiven Krafttrainingseinheiten, verstehe ich, warum starke Muskeln so wichtig sind: Sie schützen die Gelenke, gleichen Fehlhaltungen aus und machen das Laufen nicht nur effizienter, sondern auch sicherer. Besonders Läufer:innen, die regelmäßig hohe Belastungen durch das Training erfahren, können von Krafttraining enorm profitieren.
Das Training hat mir geholfen, wieder Vertrauen in meinen Körper zu gewinnen. Stück für Stück wurde ich stärker, meine Schmerzen wurden weniger und ich konnte wieder mit mehr Leichtigkeit laufen. Es war definitiv der richtige Weg – auch wenn ich ihn erst spät eingeschlagen habe.
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